Zur Geschichte der NM
Die Münchner Künstlergenossenschaft formierte sich als erster Künstlerbund in Süddeutschland im Herbst
1860 in der damals führenden Kunsthauptstadt München. Im gesamten deutschsprachigen Raum war sie
keineswegs die erste Gründung dieser Art. Die älteste solcher Vereinigungen
wurde in Berlin - damals äonenweit davon entfernt, jemals Reichshauptstadt
zu werden - schon 1841 gegründet. Düsseldorf, Frankfurt a. Main und Leipzig
schlossen sich an. Nach der Münchner Gründung folgten noch Wien, Stuttgart,
Dresden und Zürich.
Warum sich die Künstlervereinigungen vermehrt in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts bildeten, hat diverse Gründe. So formierte sich in ihnen der
Widerstand gegen den vorherrschenden akademischen
Kunstbetrieb. Die maßgebliche Position des Bürgertums
verlangte aber auch einer Ortung der gesellschaftlichen Stellung des
Künstlers, der mit dem zunehmenden Verlust von Auftraggebern sein
Selbstverständnis im Sinne der l'Art pour l'Art neu zu definieren hatte.
Wohl kann man bei den Vereinigungen auch von einer Art Demokratisierung des
Künstlertums sprechen. Wie homogen oder gelungen dieser Zusammmenschluss
zwangsläufig individueller Künstlergesinnungen sein kann, zeigt nicht
zuletzt die wechselhafte Geschichte der Münchner Künstlergenossenschaft. Aus
einer Kette von Sezessionen und Neugründungen entstand letztlich jener
Verbund, der sich heute
Neue
Münchner
nennt.
Die sicherlich spektakulärste Spaltung der Münchner Künstlergenossenschaft
erfolgte 1892, als über hundert Mitglieder wegen Meinungsverschiedenheiten
über die zukünftige Gestaltung der Jahresausstellung im damals noch
existierenden
Glaspalast sowie aus künstlerischen Differenzen austraten. Sie
gründeten einen weiteren Verein bildender Künstler in München - die "Secession".
Derlei Bewegungen gab es zu dieser Zeit im In- und Ausland häufig, so in
Dresden, Karlsruhe, Berlin und auch Paris.
Wie auch heute noch, war schon damals das Stigma eines Vereins so manchem
souveränen Künstler ziemlich gleichgültig, sodass man sich die separatistischen
Tendenzen nicht in der durchgängigen Härte eines ideologisch motivierten
Kampfes vorzustellen hat. Und wie in der Gegenwart stellten auch damals
Künstler unter der Fahne der einen sowie der anderen Künstlergruppierung
aus. Max Klinger etwa präsentierte seine Arbeiten sowohl in der "Secession",
als auch im Glaspalast zur Jahresausstellung der Münchner
Künstlergenossenschaft.
Wie fließend die Grenzen zwischen den Gruppierungen waren (und heute noch
sind), bewiesen überdies existierende informelle Vereinigungen wie etwa
die "Allotria", nach dem 2. Weltkrieg vor allem als "Seerosenkreis" bekannt.
Zu den Mitgliedern zählten einst unter anderem Arnold Böcklin und Lovis
Corinth.
Mit dem Aufkommen des Impressionismus in Frankreich brachen auch die
künstlerischen Fronten in der Münchner Künstlergenossenschaft auf und
führten zu heftigen Auseinandersetzungen. Claude
Monets programmatisches Gemälde der "Impression soleil levant", das er 1874
im Atelier des Fotografen Nadar ausstellte, steht bildhaft für den Bruch mit
der akademischen Kunst des 19. Jahrhunderts. Auch in München wurde der neue
Stil als einschneidendes Ereignis erlebt und diskutiert.
Doch nicht einmal so sehr die künstlerischen Irritationen zu Beginn der
Moderne, sondern vielmehr politische und kulturpolitische Umstände führten
zu eigentlichen Zäsur in der Geschichte der Künstlergenossenschaft und
letztlich zu ihrer Auflösung. Künstlervereinigungen besitzen ihrem Wesen
nach demokratische und pluralistische Strukturen. In Bayern wurden sie vom
städtischen Bürgertum getragen, freundlich unterstützt von den
Wittelsbachern. Diktatorischen Systemen mussten sie deshalb zwangsläufig ein
Dorn im Auge sein. So erscheint es symptomatisch, dass sich sowohl die
Lexika der NS-Zeit als auch die der ehemaligen DDR über die Geschichte der
Künstlergenossenschaften weitgehend ausschwiegen. Nach der Gleichschaltung
während des Nationalsozialismus und der Schaffung der "Reichskammer der
bildenden Künste" schrumpfte die Bedeutung der Künstlergenossenschaften
zusehends. Schließlich wurden sie ganz aufgelöst.
Unsere Geschichtsklitterung beginnt also wieder nach dem Zweiten Weltkrieg
mit der Neugründung der Münchner Künstlergenossenschaft unter dem Namen (wie
könnte es auch anders sein)
Neue
Münchner
Künstlergenossenschaft. Bereits 1947 fand eine erste Ausstellung in den
Räumen der Städtischen Galerie im Lenbachhaus statt. 1948 schlossen sich die
drei Künstlergruppen
Neue
Münchner
Künstlergenossenschaft, die ebenfalls ebenfalls neu gegründete
Münchener Secession und die etwas später gegründeten
Neuen Gruppe zur Ausstellungsleitung im Haus der Kunst München zusammen
und richteten dort von 1949 bis 2011 jährlich die Große Kunstausstellung München aus.
Seit der Eröffnung der ersten Großen Kunstausstellung am 9. September vor
nunmehr sechzig Jahren hatte sich diese als eine feste Institution etabliert.
Kein Wunder, bedenkt man den historischen Kontext ihres Gründungsjahrs, in
dem grundlegende Weichen gestellt wurden - nur zwei Tage zuvor hatte die 1.
Konstituierende Sitzung des Bundestags und des Bundesrats der BRD
stattgefunden. Seit Beginn der 90er Jahre arbeiteten die drei
Künstlergemeinschaften mit der "Stiftung Haus der Kunst" zusammen.
Viele Mitglieder unterstützen heute den
Künstlerverbund in Haus der Kunst München e. V. (in der Nachfolge der GKA) bei der Durchführung der seit 2013 stattfindenden Biennale der Künstler.
Auch heute noch zählt die
NM die gemeinschaftliche
Vertretung der Interessen der Mitglieder, die gegenseitige Unterstützung der
Mitglieder sowie die Förderung des Ausstellungswesens von Künstlern für
Künstler zu ihren Aufgaben. Ohne ständig nach Moden und Zwängen des
Kunstmarkts schielen zu müssen, steht die
NM als
zeitgenössischer Künstlerverbund dem Pluralismus der diversen künstlerischen
Haltungen des 21. Jahrhunderts aufgeschlossen gegenüber, wie die Werke der
Mitglieder zeigen.