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Fotobilder als
Lebenstableau
Durch den Tod von Klaus von Gaffron (1946-2017) hat die Neue
Münchner Künstlergenossenschaft (NM) nicht nur einen bedeutenden
Künstler verloren, sondern auch einen engagierten, anregenden und –
trotz seiner schweren Krankheit – ideensprühenden Freund.
Der in Straubing geborene und aufgewachsene Klaus von Gaffron hat
von 1973 bis 1978 an der Münchner Akademie der Bildenden Künstler
studiert und sich bereits damals der Fotografie zugewendet.
Allerdings einer höchst eigenwilligen und originellen Form der der
Fotografie. Vor allem in der zweiten Hälfte seines Lebens und
Schaffens war seine Arbeitsweise die der
bricolage oder das
sampling. Aus einzelnen
Bildern komponierte er Sequenzen, die eine Bilderwelt entstehen
ließen, die parallel und autonom neben unserer Alltagwelt existiert.
Doch anders als das künstlerische „Futteral“ (Walter Benjamin), der
bürgerliche Traum des 19. Jahrhunderts, dass die Kunst die
Möglichkeit bieten könne, sich gegen die von Außen kommenden
Irritationen und Bedrohungen ästhetisch und politisch abzuschirmen,
wollen die „Fotobilder“ Klaus von Gaffrons irritieren, verstören und
auf intelligente Weise unterhalten. Sie spiegeln mehrere neben- und
hintereinander liegende Wahrnehmungsebenen wider, die Fragen nach
dem Zusammenhang von Sehen und Wissen, Glauben und Gefühl evozieren.
Dabei bedient er sich der künstlerischen Mittel der Moderne: der
Reduktion, der Verzerrung, des extremen Bildausschnitts und der
Verfremdung durch Unschärfen. Die Betrachter der „Fotobilder“
bleiben im Unklaren darüber, ob die von ihnen wahrgenommenen
Gegenstandsfragmente Naturformen abbilden, oder ob diese vom
Künstler durch synthetische, von Menschenhand produzierte
Gegenstände ersetzt worden sind.
Klaus von Gaffron nannte seine Arbeiten nicht deshalb „Fotobilder“,
um an dem älteren Medium, der Malerei, direkt anzuknüpfen wie die
„Pictorialisten“ des 19. Jahrhunderts. Er malte nicht mir der
Kamera, sondern benutzte die gefundenen Bilder als Material für
einen künstlerischen Auswahl-, Ordnungs- und Verdichtungsprozess.
Erst die bewusste Neuordnung, die manchmal einen Stunden, Tage und
Wochen dauernden Prozess des Dialogs mit den Objekten bedeutete,
verdichtete und verstärkte seine Fotobilder in Form von Serien und
Tableaus. Die Formen und Bewegungen der Gegenstände verwandelten
sich in eine innere Bewegung des Fotografen.
Faszinierend war die Wiederentdeckung der Farbe auf seinen späteren
„Fotobildern“ Auf manchen Bildsequenzen entwickelte sich durch
leuchtende Kontraste der Primärfarben ein geradezu barockes Kolorit.
Andere „Fotobilder“ leben durch ihre reduzierte, lyrische
Farbigkeit. Auch hier wurde Malerei nicht imitiert, sondern es
entstand eine eigenständige, dem Medium Fotografie entsprechende,
genuine Farbkultur.
Als wäre die Arbeit am eigenen künstlerischen Werk nicht mehr als
zeit- und lebenfüllend genug gewesen, leitete Klaus von Gaffron seit
1991 den Berufsverband Bildender Künstler München und Oberbayern und
seit 1994 auch den bayerischen Landesverband – und war zugleich in
einer Vielzahl kunstpolitischer Gremien, Kunstbeiräten und Jurys
tätig.
Beeindruckend waren seine häufig von Erfolg gekrönten Bemühungen,
immer wieder neue Ausstellungs- und Präsentationsräume für
Künstlerinnen und Künstler zu erschließen, von denen auch eine ganze
Reihe von Mitgliedern der NM profitieren konnten. In Firmen,
Rechtsanwaltskanzleien und Ärztehäusern sollte Kunst die Räume nicht
nur wohlfeil schmücken, sondern neben der ästhetischen auch eine
angemessene materielle Würdigung finden.
So selten der Spagat gelingt: Klaus von Gaffron ist die Verbindung
von eigener künstlerischer Arbeit, sozialem Engagement und einer
generationenübergreifenden Vermittlungstätigkeit für die Kolleginnen
und Kollegen geglückt.
Klaus von Gaffrons Name und Vermächtnis steht dafür, die Bildende
Kunst als wichtigen Bestandteil einer offenen, demokratischen und
humanen Gesellschaft zu erhalten und zu stärken. Dabei mitzuwirken,
dass die kreative künstlerische Arbeit in den Schulen, Universitäten
und der Arbeitswelt nicht marginalisiert wird, bleibt ein ständige
Aufgabe und Herausforderung.
Wir, die Mitglieder der NM, werden es in lebhafter Erinnerung
behalten, wie sich Klaus von Gaffron auch in seiner letzten schweren
Lebensphase für die Interessen der Künstlerinnen und Künstler
engagiert hat und gedenken seiner mit Trauer und Dankbarkeit.
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